FONTANA MIX
1958
Die Komposition Fontana Mix, die nach der italienischen Gastgeberin von John Cage benannt ist, entstand 1958 in Mailand. Ihre Besonderheit liegt darin, dass es keine feststehenden Partituren gibt. Fontana Mix besteht aus zehn Seiten mit jeweils sechs unterschiedlich gezeichneten geschwungenen Linien und zehn Transparent-Folien mit frei angeordneten Punkten. Um nun ein musikalisches Ereignis zu bestimmen, legt man eine Punkt-Folie über eine der Linien-Seiten und darüber ein Raster aus 20 x 100 Kästchen. Mit einer Linie verbindet man dann einen Punkt innerhalb des Rasters mit einem Punkt außerhalb des Rasters. Die Kästchen, an denen die Linie das Raster durchschneidet, markieren Anfangs- und Endpunkt eines Zeitrahmens, innerhalb dessen das Ereignis stattfindet. Die Schnittpunkte der Verbindungslinie mit den sechs geschwungenen Linien innerhalb des Rasters ergeben Messwerte für sechs verschiedene Parameter. Diese können von den Interpreten bestimmten musikalischen Werten frei zugeordnet werden, so zum Beispiel der Lautstärke, Klangfarbe oder der Tonhöhe. Wie diese musikalischen Ereignisse aus den Messwerten der Partitur im Einzelnen bestimmt werden ist ebenso frei wie ihre Abfolge oder Überlagerung.
Aus den vorliegenden Materialien, gleich einem musikalischen Werkzeugkasten, können also unterschiedliche Stücke generiert werden. Die Interpreten haben nicht nur die Möglichkeit, musikalische Elemente zum Klingen zu bringen, vielmehr komponieren sie das Stück mit, indem sie nach einem von Cage vorgeschlagenen Verfahren die Wahl und Anordnung dieser musikalischen Elemente überhaupt erst vollziehen. Cage’s Angaben zur Besetzung sind ebenfalls frei angelegt: "Stimmen, die mit Hilfe der Partitur vorbereitet werden, für jede beliebige Anzahl von Spuren von Magnetband oder für jede beliebige Anzahl von Spielern oder jede Art und Anzahl von Instrumenten". Für die Eröffnung von CAGE100 realisierte das FZML eine Version mit 2 Tänzerinnen und 1 Sängerin, eine Besetzung, in der es den Fontana-Mix noch nicht gegeben hat.
Neben dem gleichnamigen Tonbandstück elektronischer Musik komponierte John Cage mit den Materialien u.a. Aria für Mezzosopran (1958), Water Walk und Sounds of Venice (beide 1959, Stücke für Solo-Performer), Theater Piece für 1 bis 8 Performer (1960) und WBAI (1960), eine Partitur zur Aussteuerung elektronischer Geräte.